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Pressemeldung Nr. 246/2014 vom 13.08.2014 | english version | zur Druckfassung | Suche

Wie Spinnen ihre Netze verkleben


Spinnenfäden sind leicht und fein, und dabei unglaublich belastbar und reißfest. Den strukturellen Aufbau und die Bauweise dieser Fäden zu verstehen, ist eine Herausforderung, der sich ein Forschungsteam der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) gestellt hat. Die Kieler Wissenschaftler haben die Haftfähigkeit und die Zugfestigkeit einer speziellen Seide an fünf verschiedenen Spinnenarten untersucht. Diese wird von Spinnen genutzt, um den eigentlichen Faden mit Untergründen zu verbinden. Dabei haben sie herausgefunden, dass insbesondere der Untergrund einen großen Einfluss auf die Haftfähigkeit der Fäden hat, wie sie in ihrer neuen Studie in der internationalen Fachzeitschrift Journal of the Royal Society Interface zeigen.

Die Arbeitsgruppe von Professor Stanislav Gorb (Zoologisches Institut, CAU) beschäftigt sich mit der funktionellen Analyse von tierischen Oberflächen: Warum halten Geckofüße an der Wand? Oder: Warum scheuert die Schlangenhaut nicht durch, während sich die Schlange vorwärts bewegt? Neuestes Studienobjekt der Kieler Wissenschaftler sind Spinnenfäden: Der sogenannte Sicherheitsfaden wird von Spinnen zum Absichern, Abseilen und für die Rahmenstruktur des Netzes verwendet. Die Fäden werden mit so genannten Haftscheiben auf Untergründen und an anderen Fäden befestigt. Die Haftscheibe entsteht bei rotierenden Bewegungen der Spinnwarzen und wird in einem speziellen Gittermuster aufgetragen.

Unter der Leitung von Stanislav Gorb untersuchten die Forscher, wie Haftscheiben auf verschiedenen Untergründen halten. „Dafür haben wir die Spinnen auf Glas, Teflon und auf das Blatt eines Bergahorns gesetzt, wo sie jeweils Haftscheiben hinterließen. Dann haben wir durch Zugversuche die Kräfte gemessen, die nötig waren, um die Haftscheiben vom Substrat zu lösen“, erklärt Jonas Wolff, Autor der aktuellen Studie. Auf Glas hafteten die Spinnenfäden so gut, dass sie gerissen sind, bevor es zu einer Ablösung kam, so Wolff weiter. Auf Teflon dagegen lösten sich die Haftscheiben komplett ab, hafteten aber immer noch so gut, dass sie in den meisten Fällen ein Vielfaches des Spinnengewichtes halten konnten. „Auf der Blattoberfläche ist die Klebekraft schließlich soweit herunter gesetzt, dass sich die Haftscheibe in den meisten Fällen komplett ablöst“, ergänzt Wolff.

Die Forscher erklären dieses Phänomen damit, dass Pflanzenoberflächen oft mit Mikrostrukturen und/oder Wachsen ausgestattet sind, um pflanzenfressenden Insekten das Laufen zu erschweren. Diesem Problem sind natürlich auch die Spinnen ausgesetzt, wenn sie in der Vegetation ihre Netze bauen wollen. „Wir vermuten, dass der Wettkampf zwischen Pflanze und pflanzenfressenden Insekten auch für die Spinnen einen evolutionären Druck darstellte, bessere Kleber zu entwickeln“, so Wolff weiter.

Momentan untersucht das Team, wie genau die Haftscheiben aufgebaut sind und funktionieren. „Unsere Erkenntnisse könnten für die Entwicklung neuartiger hocheffizienter, ökonomischer und ökologischer Klebstoffe von großem Nutzen sein“, erläutert Projektleiter Gorb die Anwendungsmöglichkeiten, die sich aus der Forschung potenziell ergeben könnten.


Originalpublikation:
Grawe, I., Wolff, J.O. und Gorb, S.N. (2014): Composition and substrate-dependent strength of the silken attachment discs in spiders. Journal of the Royal Society Interface, 11: 20140477, dx.doi.org/10.1098/rsif.2014.0477

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Ingo Grawe, Erstautor der Studie, mit einer Spinne deren Haftscheiben die Forscher untersuchten.
Foto: Jonas Wolff

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Eine Haftscheibe unter dem Lichtmikroskop. Der Durchmesser beträgt etwa einen Zehntel Millimeter.
Foto: Jonas Wolff

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Rasterelektronenmikroskopische Aufnahme einer Haftscheibe (grün), die auf einem Blatt (grau) gesponnen wurde.
Foto: Jonas Wolff

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Kontakt:
Jonas Wolff
Zoologisches Institut, Funktionelle Morphologie und Biomechanik
Tel.: 0431/880 4505
E-Mail: jwolff@zoologie.uni-kiel.de



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Text / Redaktion: Dr. Tebke Böschen