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Pressemeldung Nr. 467/2015 vom 18.12.2015 | zur Druckfassung | Suche

Das Ende des kleinen Pieks?

Impfung durch Inhalieren: Nanomedizin-Preis für Forschungsteam von Universität Kiel, Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung und Merck



Ein Forschungsteam mit Beteiligung der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) ist mit dem „Nanomedicine Award 2015“ für das „Best early clinical stage project“ ausgezeichnet worden. Die Forschenden hatten ein Impfverfahren entwickelt, bei dem der Impfstoff zerstäubt und über die Lungenschleimhaut aufgenommen wird. Der Nanomedicine Award wird alle zwei Jahre von der European Technology Platform on Nanomedicine (ETPN) vergeben.

Impfungen werden meist per Injektion verabreicht, was viele Menschen als unangenehm empfinden. Die Immunisierung per Spritze ist außerdem aufwändig: Die Spritze muss steril sein und das Impfen kann nur von medizinisch geschultem Personal vorgenommen werden. Forschende suchen deshalb seit längerem nach Möglichkeiten, „nadelfrei“ zu impfen.

Einen vielversprechenden neuen Weg zu diesem Ziel könnten die Ergebnisse eines vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Konsortiums aufzeigen, in dem Forschende des Pharma-Unternehmens Merck und verschiedener öffentlicher Forschungseinrichtungen zusammenarbeiten. Dem Team gelang es, impfstoffbeladene Nanopartikel zu entwickeln, die mittels eines Aerosols, also einem Gemisch aus einem Gas und fein verteilten Schwebeteilchen, in die Lunge transportiert und dort über die Schleimhaut aufgenommen werden. Eine Arbeitsgruppe um die Wissenschaftlerin PD Dr. Regina Scherließ von der Pharmazeutischen Technologie der Uni Kiel entwickelte die Formulierung mit dem Biopolymer Chitosan als Trägersubstanz. Die nur Nanometer großen Antigen-Chitosanpartikel werden dann mithilfe der sogenannten Sprühtrocknung in Mannitol-Mikropartikel, also Zuckeralkohol, eingebettet. Die Zuckermatrix sorgt dafür, dass die Nanopartikel gut stabilisiert werden. Gleichzeitig kann das Pulver so ohne Kühlung gelagert und transportiert werden. Über einen Inhalator, wie ihn beispielsweise Asthmapatientinnen und -patienten verwenden, kann es direkt verabreicht werden. Sowohl bei Mäusen als auch in Testsystemen mit menschlichen Zellkulturen zeigte sich: Die Partikel rufen die gewünschte Immunreaktion hervor.

„Ein Vorteil bei der Impfung über die Schleimhäute ist, dass der Impfstoff auf demselben Weg in den Körper gelangt wie viele Krankheitserreger – anders als bei der Verabreichung mittels einer Spritze“, sagt Professor Carlos A. Guzmán, leitender Wissenschaftler am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI). „Das erleichtert es dem Körper, eine wirksame Immunantwort aufzubauen.“

„Unsere Forschung befindet sich noch in einem sehr frühen Stadium“, erklärt Projektleiterin Dr. Andrea Hanefeld von Merck. „Bis daraus einmal ein praktisch anwendbares Verfahren zur Impfung mithilfe eines Inhalationsgerätes entwickelt sein wird, ist noch viel Forschungs- und Entwicklungsarbeit nötig.“ Dennoch ist sie überzeugt: „Das Prinzip, über die Lungenschleimhaut zu impfen und dabei die Immunzellen mit nanomedizinischen Verfahren anzusteuern, hat ein enormes Potenzial. Es lässt sich sowohl für die therapeutische Vakzinierung in der Krebstherapie als auch für die klassische Impfung einsetzen.“ Das gemeinsame Projekt, so Hanefeld, sei nicht nur ein herausragendes Beispiel für eine Kooperation zwischen Unternehmen und öffentlichen Einrichtungen, sondern auch für die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen der Pharmazeutischen Technologie und Immunologie.

Neben Merck und der Universität Kiel gehören dem Projektteam auch das HZI mit seiner Außenstelle HIPS (Helmholtz-Zentrum für Pharmazeutische Wissenschaften in Saarbrücken), das Universitätsklinikum Charité in Berlin, die Universitätsklinik Bonn und das Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB in Würzburg an.

Der Nanomedicine Award wird alle zwei Jahre von der European Technology Platform on Nanomedicine (ETPN, siehe auch www.etp-nanomedicine.eu) und der EU-geförderten Initiative „Enabling Nanomedicine Translation“ (ENATRANS, www.enatrans.eu) vergeben. Er würdigt herausragende Entwicklungen der Nanotechnologie für die medizinische Anwendung zum Wohl von Patientinnen und Patienten. Die Jury vergibt dabei jeweils eine Auszeichnung in den Kategorien „Best early clinical stage project“ (bestes Forschungsprojekt in einem frühen klinischen Stadium) sowie „Best product/deal“ (bestes Produkt/bester Geschäftsabschluss). Nähere Informationen unter: http://nanomedicine-award.com.

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Sprühgetrocknete mikropartikuläre Formulierung von Antigen-beladenen Chitosan-Nanopartikeln in einer Matrix
Foto/Copyright: Scherließ

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Impfschutz durch ein paar Sprühstöße aus dem Inhalator könnte bald den lästigen Pieks mit der Spritze ersetzen.
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PD Dr. habil. Regina Scherließ
Pharmazeutische Technologie und Biopharmazie
Tel.: 0431/880 1340
E-Mail: rscherliess@pharmazie.uni-kiel.de

Details, die nur Millionstel Millimeter groß sind: Damit beschäftigt sich der Forschungsschwerpunkt „Nanowissenschaften und Oberflächenforschung“ (Kiel Nano, Surface and Interface Science – KiNSIS) an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU). Im Nanokosmos herrschen andere, nämlich quantenphysikalische, Gesetze als in der makroskopischen Welt. Durch eine intensive interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Materialwissenschaft, Chemie, Physik, Biologie, Elektrotechnik, Informatik, Lebensmitteltechnologie und verschiedenen medizinischen Fächern zielt der Schwerpunkt darauf ab, die Systeme in dieser Dimension zu verstehen und die Erkenntnisse anwendungsbezogen umzusetzen. Molekulare Maschinen, neuartige Sensoren, bionische Materialien, Quantencomputer, fortschrittliche Therapien und vieles mehr können daraus entstehen. Mehr Informationen auf www.kinsis.uni-kiel.de



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Text / Redaktion: Denis Schimmelpfennig