Editorial
Liebe Leserin, lieber Leser,der Historiker Friedrich Christoph Dahlmann, der in dieser unizeit vorgestellt wird, ist als Wissenschaftler und für seine Zivilcourage berühmt geworden. Mit sechs Kollegen protestierte er 1837 gegen die Aufhebung des hannoverschen Staatsgrundgesetzes, woraufhin König Ernst August die Göttinger Sieben nicht nur aus dem Dienst entließ, sondern auch gleich außer Landes vertrieb.
Konflikte zwischen Hochschullehrern und der Obrigkeit gibt es, seit es Universitäten gibt. Das ist gut so, denn der Geist lässt sich nicht befehlen. Er darf es auch nicht, und wenn er es tut, hat er sich eigentlich schon aufgegeben. Man sollte den Geist auch nicht mit dem Zeitgeist verwechseln, denn ersterer hat der Suche nach der Wahrheit zu dienen, während der Zeitgeist diese gewöhnlich verkürzt und damit verfälscht. Gegenwärtig werden wir flächendeckend von den Zeitgeistparadigmen des Neoliberalismus eingenebelt, und der empfiehlt etwa »leistungsbezogene Mittelzuweisung«, »effiziente Organisations- und Verwaltungsstrukturen«, »Bündelung und effektiven Einsatz der Kräfte«, »Steigerung des Output«. Setzt man diese Maximen um, kann man die Profitabilität von Unternehmen in der Tat steigern. Für eine Universität taugen sie nur höchst eingeschränkt. Als Stätten von Forschung und Bildung haben sie die Aufgabe der Wahrheitssuche in allen möglichen Richtungen und selbstverständlich auch die Aufgabe, den herrschenden Zeitgeist zu hinterfragen – auch in den Wissenschaften. Dies tun Lehrende und Lernende in gemeinsamer Arbeit. Wie sie das tun, müssen sie selber bestimmen. Eingriffe von außen mindern die Qualität, eine Einsicht, die sich in unserem Grundgesetz mit dem Artikel zur Freiheit von Forschung und Lehre niedergeschlagen hat. Daran ist zu erinnern, weil in der gegenwärtigen Politik gern von »Steuerungswerkzeugen« im Zusammenhang mit Universitätspolitik gesprochen wird. Steuerung, das zeigt die lange Geschichte von Eingriffsversuchen, ist immer wider Geist und Aufgabe einer Universität, weil sie Zeitgeistmaximen durchsetzen will oder schlicht den Interessenlagen oder Machtkalkülen bestimmter gesellschaftlicher Gruppen entspringt.
Professor Thomas Bauer
Prorektor
▲ Top |
![]() ![]() ![]() ![]() ![]() |
Zuständig für die Pflege dieser Seite:
unizeit-Redaktion
► unizeit@uni-kiel.de