Bitter, grün und hochprozentig
Absinth, das Kultgetränk der Künstler und Schriftsteller im 19. Jahrhundert, ist auch heute wieder modern.

Foto: pur.pur
Absinth ist eine aus Wermut (Artemisia absinthium) hergestellte Spirituose, die ursprünglich medizinisch verwendet wurde. Da Wermut einen sehr bitteren Geschmack hat, werden bei der Herstellung von Absinth in der Regel andere Kräuter wie Anis, Fenchel, Ysop, Melisse und Minze zugegeben. Zwei Dinge sind es, die Absinth von anderen Spirituosen unterscheiden: Sein hoher Alkoholgehalt, der bis bei zu 70 Prozent liegt, und die Thujonkonzentration. Thujon ist eine psychoaktive Substanz der Wermut-Kräuter, die in ihrer halluzinogenen Wirkung Marihuana ähnelt. Deshalb wurde im 19. Jahrhundert und durch unseriöse Anbieter seit der Wiederzulassung 1991 auf die stete Steigerung des Thujongehaltes abgehoben. Für Künstler des 19. Jahrhunderts war Absinth das Getränk überhaupt. Viele Kunstwerke tragen Absinth im Namen oder werden zumindest seiner Wirkung zugeschrieben (»Der Absinthtrinker« von Eduard Manet, »L’absinthe« von Edgar Degas oder auch »Glas mit Absinth« von Pablo Picasso). Auch Van Goghs Vorliebe für Gelb wird dem Absinth zugeschrieben. So soll es zu vermehrtem Gelbsehen gekommen sein. Auch das Ohr soll er sich im Absinthrausch abgeschnitten haben.
Anfang des 20. Jahrhunderts wurde Absinth in fast allen europäischen Ländern wegen schädlicher Wirkungen auf individuelle (Wahnvorstellungen, Erblindung und Epilepsie) und soziale Gesundheit (Familienzerrüttung, Kriminalität) verboten. Heute weiß man, dass die individualgesundheitlichen Schäden nicht zuletzt mit dem schlechten Alkohol zusammenhingen, den die Hersteller früher für die Absinthproduktion verwendeten.
Hinze-Selch: »Die Effekte, wie Blindheit und schwere Gangstörungen, sind nicht ausschließlich dem Absinth zuschreibbar, sondern beruhen eher auf Verunreinigung mit Methanol. Aber es ist auch klar, dass diese Bitterstoffe in solchen Konzentrationen dem Gehirn nicht gut tun.«
Die Zulassung von Absinth im Jahre 1991 beruhte unter anderem auf dem geringeren Thujongehalt (10 Milligramm pro Liter, Alkoholgehalt über 25 Prozent). Zu seiner Hochzeit beinhaltete Absinth bis zu zehnmal mehr.
Neben dem Thujongehalt ist auch das Drumherum wichtig. Die klassische Art, Absinth zu servieren, ist ein kleines Ritual: Zwei Zentiliter Absinth in ein Glas geben, einen perforierten Absinthlöffel mit zwei Stück Würfelzucker über den Rand legen. Den zuvor mit Wermut beträufelten Zucker anzünden. Später taucht man den Löffel ins Glas und gießt Wasser nach. Dadurch wird die Flüssigkeit milchig und bekommt einen kleinen Stich ins Grüne. Problematisch ist die Zubereitung als »Feuerzangenbowle«. Dabei wird der Alkohol im Absinth verkocht, und übrig bleibt ein Bitterauszug. »Damit kann ich eine gigantische Menge an Thujon und anderen Bitterstoffen zu mir nehmen, die ausreichen, um eine Hallozinogen-Wirkung zu haben«, betont die Leitende Oberärztin an der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, die sich in ihrer Antrittsvorlesung ausführlich mit dem Kultgetränk des 19. Jahrhunderts befasst hat. Die hohen Thujonmengen, die bei der Verkochung entstehen, sind jedoch gesundheitsschädlich. Sie erhöhen die Krampfbereitschaft des Gehirns und können sich ungünstig auf viele Organsysteme auswirken, bis hin zu intensivmedizinisch zu versorgenden Organausfällen.
Das Fazit der Expertin: Maßvoll genossen, stellten die heute seriös angebotenen und zubereiteten Absinthgetränke keine allgemeine Gesundheitsgefährdung dar. Vor unseriösen Anbietern und Trinkprozeduren, die auf Berauschung und einen möglichst hohen Thujongehalt abheben, ist jedoch dringend und ernsthaft zu warnen. (ne)
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