Ausgegraben
Erfolg für Schleswiger Archäologen: In Zusammenarbeit mit russischen Wissenschaftlern hat Timo Ibsen nord-östlich von Kaliningrad Teile einer Wikingersiedlung freigelegt.

Grafik: pur,pur
Ein weiteres Indiz für die Anwesenheit fremder Siedler und Krieger sei der von der üblichen Bestattungsart der einheimischen Prussen abweichende Grabbau mit Hügelgrabkonstruktionen. Ibsen: »Da lag die Vermutung nahe, dass in der Umgebung auch eine Siedlung, ein frühmittelalterlicher Handelsstützpunkt der Wikinger gewesen sein musste. Eine Kolonie skandinavischer Kaufleute und Krieger mitten in prussischem Siedlungsgebiet müsste dann als wichtiger Knotenpunkt im wikingerzeitlichen Handelsnetzwerk des Ostseeraums fungiert haben. Die wirtschaftliche Grundlage könnte im reichen Bernsteinvorkommen der Region gelegen haben.«
Müsste, könnte ... Diesen Spekulationen konnte ein auf drei Jahre angelegtes russisch-deutsches Forschungsprojekt im Sommer 2005 endlich handfeste Beweise entgegensetzen. Finanziert werden die Arbeiten von der Römisch-Germanischen Kommission (RGK) Frankfurt/Main des Deutschen Archäologischen Instituts. Mit modernen Untersuchungsmethoden, die von Kieler Geophysikern durchgeführt wurden, suchte ein Team aus 15 russischen und deutschen Wissenschaftlern und Studierenden auf insgesamt 18 Hektar das Gelände um das Gräberfeld ab.
»Mit einem kleinen Trecker, auf dem die Messapparatur installiert ist, fuhren die Geophysiker Spur um Spur über den Acker«, erklärt Ibsen, der die Forschungsarbeiten vor Ort gemeinsam mit einem Wissenschaftler aus Kaliningrad geleitet hat. »Das Gerät nimmt eine Art ›Röntgenbild‹ des Bodens auf, das Abweichungen von der natürlichen Bodenschichtung darstellt. Wir haben sehr, sehr viele Auffälligkeiten gefunden, und drei davon haben wir ausgegraben«, darunter eine Grube mit Siedlungsabfällen und einen Ofen, weitere fünf werden in direkter Umgebung vermutet. Die Ausgrabungen teilten sich das Archäologische Landesmuseum Schleswig, die Stiftung Schleswig-Holsteinische Landesmuseen Schloss Gottorf und das Museum für Geschichte und Kunst Kaliningrad.
»Die Ofenanlage gehört ins 10. Jahrhundert nach Christus, das heißt, sie liegt zeitlich parallel zum Gräberfeld. Das können wir anhand der Keramik, die darin lag, datieren«, so Professor Claus von Carnap-Bornheim, Direktor des Archäologischen Landesmuseums und Hauptverantwortlicher des deutschen Projektteils. Dies und Oberflächenfunde in der ganzen Gegend (Münzen, Wiegegewichte aus Bronze und diverse Fragmente von Schmuckstücken) deuten darauf hin, dass diese Siedlungsspuren tatsächlich den Wikingern zuzuordnen sind, zumal die Ofenanlage nur 50 bis 60 Meter von dem Gräberfeld entfernt liegt. »Es ist kaum denkbar, dass die Prussen unmittelbar neben einem Friedhof der Wikinger wohnten oder umgekehrt, die Wikinger ihre Toten bestatteten, wo auch die möglicherweise nicht immer friedlichen Prussen wohnten.«
Auch die anderen freigelegten Siedlungsspuren lassen sich zeitlich zwischen dem 10. und dem späten 11. Jahrhundert einordnen. Sie alle liegen sehr nahe an der ehemaligen Haffküste, die heute allerdings verlandet ist. »Das heißt, die Wikinger sind dort durch Lücken in der kurischen Nehrung eingesegelt in das kurische Haff, den großen, geschützten Flachwasserbereich hinter der Ostsee, sind dort an Land gegangen und haben wahrscheinlich in unmittelbarer Nähe der Küste ihre Siedlung errichtet«, spekuliert Ibsen, Doktorand am Archäologischen Landesmuseum. Im März kann er die Spur vor Ort weiterverfolgen. Zunächst stehen geomagnetische Messungen und geologische Untersuchungen an. Im Sommer ist wieder eine achtwöchige Ausgrabung in russisch-deutscher Kooperation geplant. (ne)
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