Tauchgang in die Vergangenheit
Im Boden der Ostsee haben Archäologen in den letzten Jahren zahlreiche steinzeitliche Siedlungsplätze entdeckt. Funde in der Wismarbucht bei der Insel Poel geben Auskunft darüber, wie unsere Vorfahren gelebt haben und wie sich die Küsten im Laufe der Jahrtausende verschoben haben.
Dort, wo sich heute die Ostsee befindet, siedelten vor mehreren Tausend Jahren Menschen der »Ertebølle-Kultur«, die zur späten mittleren Steinzeit zählt (5500 bis 4100 Jahre vor Christus). Sie waren die letzten Jäger und Sammler in der Region, spätere Generationen widmeten sich dem Ackerbau und der Viehzucht.
Seit mehreren Jahren arbeiten Wissenschaftler des Projektes SINCOS (Sinking Coasts – Sinkende Küsten) daran, die versunkenen Siedlungsplätze zu entdecken, Fundstücke zu bergen und Erkenntnisse über die Lebensweise unserer Vorfahren zu sammeln. Außerdem sollen die Forschungen Aufschluss darüber geben, wie sich klimatische Veränderungen auf die Küstenlinien der Ostsee auswirken, erklärt Hauke Jöns vom Landesamt für Bodendenkmalpflege Mecklenburg-Vorpommern in Schwerin, der zum Leitungsgremium des Projektes gehört: »Bisherige Modelle zu den Verschiebungen von Küstenlinien basieren auf den Daten der letzten 200 Jahre. SINCOS liefert zuverlässige Informationen, die von 7000 vor Christus bis heute reichen. Wir setzen neue geophysikalische Methoden ein, mit denen wir hochauflösende Bilder von Schichten erhalten, die wir bisher nicht untersuchen konnten. Aus diesen Daten können Archäologen Schlüsse ziehen, die wiederum für Klimaforscher von höchstem Interesse sind.«
Mehrere Wissenschaftler der Kieler Universität arbeiten direkt an SINCOS mit. In freier Kooperation stellt das Institut für Geowissenschaften eine neue Technologie zur Verfügung, mit der der Meeresboden erforscht wird (siehe Infokasten).
Auch Stefanie Klooß vom Institut für Ur- und Frühgeschichte ist beteiligt. Die Diplom-Prähistorikerin wertet für ihre Doktorarbeit steinzeitliche Werkzeuge aus Holz und Bast aus, zum Beispiel Fischzäune, Reusen oder Fischspeere. Die Funde aus der Ostsee führten zu interessanten Ergebnissen: »Die Menschen scheinen damals sehr genaue Kenntnisse von den Eigenschaften der Hölzer gehabt zu haben. Es ist auffällig, dass sie für bestimmte Werkzeuge immer wieder das gleiche Holz benutzten. Paddel sind zum Beispiel aus dem harten und elastischen Eschenholz, Einbäume aus weichem Lindenholz.« Sobald die Wissenschaftlerin alle Daten ausgewertet hat, kann sie anhand der Funde von Holz und Holzkohle auch Rückschlüsse auf die damalige Vegetation ziehen. Bereits jetzt deutet alles darauf hin, dass Menschen der Ertebølle-Kultur erste Verfahren zur Waldnutzung entwickelt haben. Sie scheinen die Haselbüsche, aus deren geraden Ausschlägen sie ihre Fischzäune machten, regelmäßig im Wald geschnitten zu haben.
Dr. Ulrich Schmölcke vom Zoologischen Institut, Abteilung Haustierkunde, untersucht als Archäozoologe die Tierknochen, die die SINCOS-Taucher bergen. Daran erkennt er nicht nur, welche Tiere damals im heutigen Ostseeraum lebten, sondern auch, wann die Ostsee entstanden ist: »Um 6700 vor Christus begann die Entwicklung der Ostsee im Bereich von Dänemark. Wir können durch die Funde genau den Wechsel der Fauna nachvollziehen. Vor der Entstehung der Ostsee ernährten sich die Menschen überwiegend von Wild, zum Beispiel Rothirsch, Reh und Auerochse, oder von Süßwasserfischen. Mit dem Einströmen von Meerwasser kommen erstmals Robben und Salzwasserfische wie Dorsch oder Scholle in die Region und werden von den Menschen erjagt. Außerdem können wir durch bestimmte Tierarten auf die klimatischen Bedingungen schließen. Zum Beispiel lebten hier früher Pelikane und Sumpfschildkröten, die warme Temperaturen brauchen.« (js)
www.sincos.org
Seismischer Blick in die Steinzeit
Die Technik, die die Archäologen bei der Untersuchung ihrer Fundplätze unterstützt, heißt »Seamap-3D« und kommt vom Institut für Geowissenschaften der Universität Kiel. Seamap-3D steht für »Seismo-akustische marine archäologische Prospektion in 3D«. Dahinter verbirgt sich die Weiterentwicklung der in der Geophysik seit langem erprobten Methode der 3D-Seismik, mit der zum Beispiel Erdölgesellschaften nach neuen Ölfeldern im Ozean suchen.
Ein Team von Wissenschaftlern passte die Methode für die Bedürfnisse der Unterwasserarchäologie an. Im Gegensatz zu anderen akustischen Methoden ermöglicht es »Seamap-3D« nicht nur, die Oberfläche des Meeresbodens abzusuchen, sondern Fundstücke oder Strukturen auch in tieferen Schichten zu erkennen. Dr. Christof Müller, verantwortlich für das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte Projekt, sieht in der dreidimensionalen Bildgebung den entscheidenden Vorteil: »Die Orte, nach denen die Archäologen suchen, sind im Laufe der Jahrtausende teilweise einsedimentiert. Man ist also auf eine Technik angewiesen, mit der man sichtbar machen kann, was sich unter dem Meeresboden befindet.«
Das Messsystem Seamap besteht aus mehreren Komponenten: Als Geräteträger fungiert ein Katamaran mit Elektro-Außenborder, der wiederum eine seismische Quelle (Impuls-Schallgeber) und eine Reihe von Hydrophonen hinter sich herzieht, die die Signale empfangen, welche vom Erdreich unter dem Meeresboden reflektiert werden. Die gemessenen Daten werden an Land in ein mobiles Netzwerk von Linux-Rechnern (Cluster) mit einer Speicherkapazität von einem Terabyte (1000 Gigabyte) eingespeist, um ein präzises dreidimensionales Bild des Meeresbodens und der darunter liegenden Schichten zu erhalten. (js)
www.seamap-3d.de
Ein Team von Wissenschaftlern passte die Methode für die Bedürfnisse der Unterwasserarchäologie an. Im Gegensatz zu anderen akustischen Methoden ermöglicht es »Seamap-3D« nicht nur, die Oberfläche des Meeresbodens abzusuchen, sondern Fundstücke oder Strukturen auch in tieferen Schichten zu erkennen. Dr. Christof Müller, verantwortlich für das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte Projekt, sieht in der dreidimensionalen Bildgebung den entscheidenden Vorteil: »Die Orte, nach denen die Archäologen suchen, sind im Laufe der Jahrtausende teilweise einsedimentiert. Man ist also auf eine Technik angewiesen, mit der man sichtbar machen kann, was sich unter dem Meeresboden befindet.«
Das Messsystem Seamap besteht aus mehreren Komponenten: Als Geräteträger fungiert ein Katamaran mit Elektro-Außenborder, der wiederum eine seismische Quelle (Impuls-Schallgeber) und eine Reihe von Hydrophonen hinter sich herzieht, die die Signale empfangen, welche vom Erdreich unter dem Meeresboden reflektiert werden. Die gemessenen Daten werden an Land in ein mobiles Netzwerk von Linux-Rechnern (Cluster) mit einer Speicherkapazität von einem Terabyte (1000 Gigabyte) eingespeist, um ein präzises dreidimensionales Bild des Meeresbodens und der darunter liegenden Schichten zu erhalten. (js)
www.seamap-3d.de
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