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Nr. 35, 08.04.2006  voriger  Übersicht  weiter  REIHEN  SUCHE 

Den Seen geht das Schilf aus

Seit den Fünfzigerjahren geht der Schilfbestand an einigen Seen der Holsteinischen Schweiz dramatisch zurück. Ein Forschungsprojekt soll die Ursachen herausfinden und Lösungsansätze entwickeln.


Schilf befestigt die Ufer und bietet etlichen Tieren Lebens- und Schutzraum – theoretisch. Praktisch gibt es an vielen Seen Schleswig-Holsteins und anderswo kaum noch Schilfbestände. Foto: pur.pur

Ein idyllisches Bild: Die Wellen des Großen Plöner Sees schwappen ans Ufer, ein dichtes Meer von Schilfhalmen wiegt sich im Takt der Wellen und des Windes. Dieses Bild gehört fast der Vergangenheit an, denn seit den Fünfziger­jahren sind über 90 Prozent der Schilfbestände am Großen Plöner See abgestorben. An anderen Seen im Land und in ganz Europa sieht es ähnlich aus. Ein von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt gefördertes Forschungs­projekt widmet sich nun diesem Problem. Beteiligt sind unter der Leitung von Professor Kai Jensen Forscher der Universität Hamburg, der Technischen Universität München und des Kieler Ökologie-Zentrums. Das Projekt soll nicht nur den Ursachen des Schilfrückgangs auf den Grund gehen, ein Schwerpunkt liegt auch auf der Renaturierung der Bestände.

Verantwortlich für den Rückgang des Röhrichts sei nicht nur ein Faktor, sondern viele, sagt Wiebke Schoenberg vom Biozentrum Klein Flottbek der Universität Hamburg, die das Projekt koordiniert: »Ein Auslöser könnte der starke Nährstoffeintrag aus der Landwirtschaft in die Seen sein. Bei einem hohen Nährstoffangebot wächst das Schilf schneller und ist daher auch weniger stabil. Das macht es anfälliger für Wellen und Algenmatten. Allerdings hat sich der Nährstoffeintrag in den letzten Jahrzehnten reduziert, und das Schilf geht trotzdem weiter zurück. Auch die zunehmende Beschattung durch Bäume am Uferrand spielt eine Rolle, ebenso die Beeinträchtigungen, die von menschlichen Aktivitäten ausgehen.«

Auch die Graugänse könnten einen Anteil am Rückgang der Schilf-Rörichte haben. Mit diesem Aspekt befasst sich Dr. Bettina Holsten vom Ökologie-Zentrum der Kieler Universität: »Seit den Neunzigerjahren kommen mehrere Tausend Graugänse von Mai bis Juni zur Mauser an den Großen Plöner See. Die Tiere, die ursprünglich in Holland gemausert haben, können während dieser Zeit für vier Wochen nicht fliegen. Der sicherste Platz für sie ist das Wasser. Von dort aus fressen sie die Schilfsprossen. Normalerweise überleben die Pflanzen das vermutlich, aber da sie bereits geschwächt sind, richten die Tiere mit ihrem Fraßverhalten starken Schaden an.«

Eigentlich fressen die Graugänse wegen des hohen Eiweißgehalts gerne das Gras von nährstoffreichen, gemähten Wiesen. Allerdings verlassen die während der Mauser relativ scheuen Tiere das Wasser nur wenn sie ungestört sind, etwa in der Dämmerung oder auf Inseln. Deswegen arbeiten die Wissenschaftler daran, Flächen zu schaffen, auf denen die Gänse geschützt fressen können. Ein anderer Ansatz sind Palisaden, die von der Wasserseite aus vor dem Schilf angebracht werden, um die Wellen zu brechen. Die Forscher untersuchen auch, ob das Schilf besser wächst, wenn man die Beschattung am Ufer reduziert, und pflanzen neues Schilf an. Das Projekt ist auf vier Jahre angelegt. Nach einer Evaluierung im Mai 2007 soll die Renaturierung der vom Schilfrückgang betroffenen Uferabschnitte im Mittelpunkt der Arbeit stehen. (js)
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