Vom Hitler-Putsch zur Spiegelaffäre
Anwalt im Prozess um den Hitler-Putsch und keiner Auseinandersetzung abgeneigt: Der Strafrechtslehrer Hellmuth Mayer trug seinen Beinamen »Anders-Mayer« zu Recht.

Adolf Hitler, rechts neben Erich Ludendorff (Bildmitte), posiert mit den weiteren Angeklagten des Hitler-Ludendorff-Putsches. Foto: Ullstein
»Mayer wies als Verteidiger im Hitler-Prozess ein Engagement auf, das über ein gewöhnliches Verteidigerverhalten hinausging«, beurteilt Dr. Natalie Willsch dessen damaliges Wirken. In ihrer von 2004 bis 2007 am Lehrstuhl von Professor Heribert Ostendorf entstandenen Dissertationsschrift befasst sie sich intensiv mit der Lebens- und Wirkungsgeschichte des Strafrechtlers, der sich nur schwer in eine Schublade packen lässt – selbst mit solch relativ großer zeitlicher Distanz. Für ihre Arbeit erhielt die Juristin den Fakultätspreis 2009.
Als Verteidiger argumentierte Mayer im Hitler- Prozess damit, dass der Putschversuch schon deshalb nicht strafbar sein könne, weil er sich gegen die nicht rechtsgültige Verfassung der Weimarer Republik gerichtet habe. Schon die Beendigung des vorausgegangenen Ersten Weltkriegs stellte für den Anwalt zudem einen »ungeheuerlichen Verrat und Rechtsbruch« dar.
In der damaligen Zeit hingen aber nicht allein die Nazis solchen Gedanken an. Willsch jedenfalls rechnet Mayer den »völkisch- konservativen Elementen der Gesellschaft« zu, die »dem Nationalsozialismus auf bestimmten Gebieten sehr nahe standen«, aber eben keine wirklichen Nazis waren.
So sind einerseits in seinem 1936 veröffentlichten Buch »Das Strafrecht des deutschen Volkes« Sätze wie dieser zu lesen: »Die ungeheure Wichtigkeit und Dringlichkeit der Rassesicherung kann niemand leugnen.« Andererseits hält Willsch dem Strafrechtler »mitunter deutlich nationalsozialismuskritische Äußerungen« zugute. Und auch fachlich hatte sich Mayer immer wieder den Mut zur eigenen Meinung bewahrt. Im von den Nazis eingerichteten »Ausschuss für Strafrecht« äußerte sich Mayer als Einziger entschieden gegen eine Ausweitung der Euthanasie und beharrte auf der ur-rechtsstaatlichen Position, dass der Staat nicht eine bloße Gesinnung bestrafen dürfe, sondern dass immer auch eine sanktionswürdige Tat vorliegen müsse.

Hellmut Mayer (1895-1980) war von 1947 bis 1963 Rechtsprofessor an der CAU. Foto: Uni Kiel
Hoch schlugen die Wogen noch einmal 1962, ein Jahr vor Mayers Emeritierung. Mit einem kritischen Artikel über den Zustand der Bundeswehr hatte das Nachrichtenmagazin »Der Spiegel« die Staatsmacht gegen sich aufgebracht und sah sich mit dem später als haltlos eingestuften Vorwurf des Landesverrats konfrontiert. Umstritten war in diesem Zusammenhang die in Spanien, also auf dem Territorium eines fremden Staates, vorgenommene Verhaftung des Spiegel-Redakteurs Conrad Ahlers. In einer freilich abstrakt und allgemein gehaltenen Abhandlung bezeichnete Mayer diese Vorgehensweise als prinzipiell rechtskonform. Was ihm in der aufgeheizten Atmosphäre der damaligen Zeit allerdings den Vorwurf einbrachte, er unterstütze die staatliche Unterdrückung der Pressefreiheit durch konstruierte strafrechtliche Vorwürfe. Insofern blieb Professor Hellmuth Mayer bis zum Schluss seiner akademischen Laufbahn, was er immer gewesen war: ein Mensch und Wissenschaftler, an dem man sich reiben konnte.
Martin Geist
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