Burgenland Schleswig-Holstein
Gab es an der Westküste wirklich keine Burgen? Wurde das mittelalterliche Bauverbot für Befestigungen rund um Lübeck eingehalten? Kieler Historiker finden Antworten in alten Quellen.
»Schleswig-Holstein ist ein vergessenes Burgenland«, sagt Oliver Auge. Der Professor für Regionalgeschichte möchte das ändern und hat ein von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördertes Projekt initiiert, das sich seit einem Jahr mit Kleinburgen zwischen Nord- und Ostsee vom Spätmittelalter bis in die frühe Neuzeit (13.-16. Jahrhundert) befasst. »Wir wollen dieses bisher vor allem archäologisch bearbeitete Feld verstärkt geschichtswissenschaftlich angehen«, erläutert Auge den fachlichen Blickwinkel seines Teams, dem die Doktoranden Stefan Magnussen (s. nebenstehenden Artikel), Jens Boye Volquartz und Frederic Zangel angehören.
Volquartz widmet sich im Rahmen seiner Dissertation den westlichen Landesteilen Nordfriesland und Dithmarschen. »Dass diese Gebiete lange als weitestgehend burgenfrei angesehen wurden, hängt unter anderem mit der Frage zusammen, was unter dem Begriff Burg zu verstehen ist«, erläutert er. Oliver Auge ergänzt: »Wir meinen, dass eine Burg nicht zwangsläufig ein Adelssitz sein muss.« Vielmehr, so der Historiker, müssten auch die befestigten Bauernhöfe an der Westküste als Burgen wahrgenommen werden. »Diese Höfe waren Kristallisationspunkte des Widerstands der Landbevölkerung gegen die adligen Landesherrn – und, wie uns die Schriftquellen verraten, nicht immer leicht einzunehmen«, berichtet Jens Boye Volquartz.
Er weiß von einem Fall, in dem ein von kampferprobten Offizieren geführter, etwa hundert Mann starker Verband unter großen Verlusten daran scheiterte, einen Hof auf Nordstrand einzunehmen. »Da verwundert es nicht, dass die Truppen der Landesherren bei Eroberungszügen in Dithmarschen die Burgen oft umgingen und sich stattdessen den Hauptorten wie Heide und Meldorf zuwandten«, meint Volquartz.
Oliver Auges Forschungsteam profitiert beim Burgenprojekt von der Zusammenarbeit mit dem Archäologischen Landesamt und dem Archäologischen Landesmuseum Schloss Gottorf. So liegen im Landesmuseum die gesammelten Erkenntnisse eines Sonderforschungsbereichs aus den 1960er Jahren über Burgen in Schleswig-Holstein bereit – »eine prima Datengrundlage für unser Ziel, ein Burgenlexikon zu erstellen«, freut sich Auge.
In diesem Lexikon wird auch der Umgebung von Lübeck ein Abschnitt zu widmen sein, wie Frederic Zangel weiß – und das, obwohl der Hansestadt einst mit kaiserlichem Privileg zugesichert worden war, dass in einem 18 Kilometer breiten Streifen rechts und links der Trave keine Burgen angelegt werden durften. »Dieses Bauverbot wurde aber immer wieder umgangen, was wiederholt zu bewaffneten Konflikten der Lübecker mit den benachbarten Adligen führte«, erläutert Zangel.
Zu den Fragen, denen er im Rahmen seiner Doktorarbeit nachgeht, gehört die nach der Verbreitung des Sachsenspiegels. War dieses Rechtsbuch, das beispielsweise definiert, ab welcher Wallhöhe eine Befestigung als Burg zu gelten hatte, zur Zeit der strittigen Bauten rund um Lübeck bereits bekannt? Frederic Zangel ist optimistisch, dass die Antwort in den verfügbaren Schriftquellen zu finden ist.
Jirka Niklas Menke
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