Speiseplan der Bronzezeit
Was unsere Vorfahren im Norden aßen – und woher wir das wissen.

Um 1200 vor unserer Zeitrechnung kamen neben Nüssen und Waldfrüchten auch Käse, Speck, Hülsenfrüchte und Getreideprodukte auf den Tisch. Foto: Tiedtke/UFG
»Diese Ereignisse zu Beginn der Jungsteinzeit ordnen wir in der Forschung als die erste von drei Ernährungsrevolutionen ein«, erklärt Professorin Wiebke Kirleis vom Institut für Ur- und Frühgeschichte und der Graduiertenschule »Human Development in Landscapes«. »Im Rahmen der zweiten Revolution der Jungsteinzeit kommen vermehrt Sekundärprodukte wie Käse und Quark auf den Speiseplan«, erläutert Kirleis. »Die Menschen verstanden also immer besser, wie sie die verfügbaren Lebensmittel weiterverarbeiten konnten.« Zudem, so Kirleis, wurde zunehmend auch Frischmilch verzehrt, denn in der Jungsteinzeit breitete sich die in Bauerngesellschaften im Gebiet des heutigen Ungarns, Österreichs oder der Slowakei entwickelte Laktosetoleranz nach Norden aus.
Als dritte urgeschichtliche Ernährungsrevolution schließlich bewerten Wiebke Kirleis und ihre Kolleginnen das Aufkommen einer Vielzahl neuer Kulturpflanzen seit dem Übergang von der Mittel- zur Spätbronzezeit. »Während es aus der Frühbronzezeit nur Nachweise für vergleichsweise wenige Nutzpflanzen gibt, wurde die Auswahl ab etwa 1.200 vor unserer Zeitrechnung bedeutend größer«, weiß Dr. Jutta Kneisel. »Neben Rispenhirse, Erbse und Ackerbohne gehört dazu beispielsweise auch der Leindotter«, berichtet die Archäologin. Dabei handelt es sich um eine sogenannte sekundäre Kulturpflanze, die zunächst als Unkraut in Leinfeldern wuchs. Dann erkannte man, dass der Kreuzblütler zwar auf Grund seiner Schärfe als Viehfutter ungeeignet ist, sein Öl sich jedoch zum Kochen und als Brennstoff verwenden lässt.
Bei unseren spätbronzezeitlichen Vorfahren könnten also als neue Speisen neben den weiterhin genutzten Wildtieren und -früchten zum Beispiel Dinkel- Fladenbrot, mit Honig gesüßter Hirsebrei, Rindfleisch und Käse auf den Tisch gekommen sein. Dazu gönnte man sich möglicherweise schon ein Bier.
Doch woher stammt das Wissen um die Speisepläne einer Zeit und Region, aus der keine Schriftquellen oder vergleichbaren Überlieferungen erhalten sind? »Unser wichtigster Helfer ist das Missgeschick«, sagt Wiebke Kirleis augenzwinkernd, »zum Glück für die heutige Forschung gab es in der Bronzezeit noch keine Teflonpfannen.« Denn wenn die Milch überkochte oder der Brei nicht rechtzeitig umgerührt wurde, bildete sich eine Speisekruste am Topf. Oder wenn ein Haus abbrannte, verkohlten auch darin gelagerte Vorräte – das Feuer konservierte die Überreste. Anhand ihrer Form und Größe lassen sich darin enthaltene Getreidekörner unter dem Mikroskop bestimmen. Auch in Speisekrusten an alten Topfscherben finden sich manchmal Nutzpflanzenreste. Außerdem reichen dank modernster biochemischer Analysemethoden mittlerweile schon geringe Spuren organischen Materials wie Fett in einer Kruste, um Hinweise darauf zu erhalten, was dort einst (über)kochte.
Doch nicht nur für An- und Abgebranntes, auch für Müll können sich Wiebke Kirleis und ihr Team begeistern. »Unsere Vorfahren verfüllten ihre Abfallgruben oft in kurzer Zeit, so dass die Essensreste, Schalen und Knochen darin je nach Bodenbeschaffenheit licht- und luftdicht die Jahrtausende überdauern konnten«, freut sich Jutta Kneisel. In trockenem Boden können das wiederum verkohlte Getreidekörner sein, in feuchtem Boden sogar Gewebe, außerdem Pollen. Anhand der Pollenkörner können die Wissenschaftlerinnen bestimmen, welche Pflanzen einst in unmittelbarer Umgebung des Fundorts wuchsen, ob also neben der Abfallgrube eher ein Getreidefeld angelegt worden war oder eine Weide. Kirleis und Kneisel sind sich einig: »Dank der verschiedenen Analysemethoden, die uns an der Kieler Uni zur Verfügung stehen, haben wir heute ein ziemlich präzises Bild vom bronzezeitlichen Speiseplan.«
Jirka Niklas Menke
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