Die fischbedingte Unschärfe
Das Alter von Überbleibseln aus der Vergangenheit kann wissenschaftlich höchst bedeutsam sein. Eine der prominentesten deutschen Adressen, um solche Funde zu datieren, befindet sich in Kiel.

Thomas Larsen hat den ›kulinarischen Fingerabdruck‹ entschlüsselt. Foto: Eulitz
Und die Aufgabenstellungen können denkbar vielfältig sein. So befasst sich das Labor auch mit Echtheitsnachweisen von Kunstgegenständen, mit der Frage, ob Elfenbein aus der Zeit vor Inkrafttreten des entsprechenden Artenschutzabkommens stammt, oder mit der Bestimmung des Anteils nachwachsender Rohstoffe in Industrieprodukten. Doch wie funktionieren solche Nachweise? Bekannt geworden ist das Kieler Labor aufgrund der Radiokarbonmethode, die mit dem natürlich vorkommenden radioaktiven Kohlenstoff-Isotop C14 arbeitet. In abgestorbenen Organismen geht der Anteil dieses Isotops von Jahr zu Jahr zurück, sodass aufgrund dieses Effekts das Alter bestimmt werden kann.
Was aber einfacher klingt, als es ist. Tatsächlich bedarf es vieler Verfahrensschritte, ehe solide Aussagen möglich sind. Aus Knochen zum Beispiel wird das Protein Kollagen befreit, durch Filtrieren gereinigt und mit Kupferoxid zu Kohlendioxid (CO2) verbrannt, bis nur noch fester Kohlenstoff zurückbleibt, der anhand seines C14-Anteils datiert werden kann.
Die Aussagekraft dieses Verfahrens kann jedoch bei 30.000 bis 50.000 Jahre alten Proben erheblich ungenauer werden. werden. C14 ist nach so langer Zeit kaum noch vorhanden, entsprechend stärker können trotz aller Sorgfalt zurückbleibende Verunreinigungen die Ergebnisse verzerren. Um diese Verunreinigungen zu entfernen, werden in einem abermals aufwendigen Prozess, der sogenannten high performance liquid chromatography (HPLC), Aminosäuren aus dem Kollagen des Knochens isoliert. Die Analyse dieser Verbindungen erlaubt wiederum eine wesentlich verlässlichere Altersbestimmung.
Der Ökologe Dr. Thomas Larsen hat derweil eine Methode entwickelt: Mittels des »Fingerabdrucks«, den unterschiedliche Nahrungsquellen in der Isotopenzusammensetzung von Aminosäuren hinterlassen, kann er die Ernährung von Tieren und Menschen anhand winziger Gewebeproben rekonstruieren. Die zugrunde liegenden Prozesse spielen auch bei der Ermittlung des Sterbe datums von Menschen ein große Rolle, die zu Lebzeiten viel Fisch aßen. Denn der durch Fisch aufgenommene Kohlenstoff enthält weniger C14 als andere Nahrungsquellen. Mithin kann das Alter einer Probe damit um mehrere hundert Jahre höher erscheinen, als es tatsächlich ist.
Der in Kiel und Cambridge tätige Physiker und Archäologe Dr. Ricardo Fernandes will mithilfe einer weiteren Methode die Genauigkeit der Datierung erhöhen und die fischbedingte Unschärfe bereinigen. Diese Methodde wird jetzt gemeinsam mit der Abteilung Lebensmitteltechnologie um Professorin Karin Schwarz umgesetzt.
Martin Geist
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